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Am 20. September landete mein Flugzeug am Flughafen von Mytilene, zwei Wochen nach dem Grossbrand des Flüchtlingscamps Moria. In der Unterkunft im verschlafenen Dörfchen Pamfila nicht unweit des Camps, verbrachte ich drei Monate unter ständig wechselnden WG-Kollegen.

Lesbos erschien mir familiär, im Oktober 2018 war ich bereits einmal hier. Die 10 Tage die ich damals auf der Insel verbrachte, reichten jedoch kaum aus, mich mit der Situation der Flüchtlingskrise vertraut zu machen. Weil es mein flexibler Job erlaubte und es mich interessierte wie es «an der Front» zu und her ging, entschied ich mich für den Einsatz.

In den ersten Wochen nach meiner Ankunft herrschte hektisches Treiben im Camp, da es sich noch im Anfangsstadium des Aufbaus befand. Somit unterstütze ich EuroRelief zu Beginn in den einzelnen Aufgaben bis ich immer mehr ins Social-Media Team investierte. Meine Verantwortung beinhalteten sowohl die laufenden Projekte der Organisation zu dokumentieren als auch das Geschehen im Camp festzuhalten.

Die aktuell 7’600 Menschen im Camp leben in unzumutbaren Umständen. Bis zu zehn Personen wohnen in einem instabilen UN-Zelt, keine Duschen bis vor wenigen Tagen, beschränkter Zugang zu Elektrizität. Und doch staune ich jeden Tag über den Kampfgeist der Camp Bewohner. Auseinandersetzungen kommen hin und wieder vor. Dennoch fühle ich mich sicher, wenn ich zwischen den Zeltreihen umhergehe und nicht selten mit «hello my friend» begrüsst werde. Trotz widriger Bedingungen werde ich oft zum Tee oder sogar zum Mittagessen ins Zelt eingeladen, ja Gastfreundschaft wird grossgeschrieben. Eine Familie stand eines Tages um sechs Uhr auf nur um für mich Bolani, ein afghanisches Gericht zu kochen. Am Nachmittag werden sie keine Elektrizität mehr haben. Sie entschuldigten sich sogar dafür, mir eine kalte Mahlzeit anzubieten. Es entstehen oft tiefe Konversationen und daraus Beziehungen.

Auch wenn man den Beziehungen nicht zu viel Raum geben darf, halte ich an der Hoffnung fest, sie einst an einem besseren Ort wiederzusehen.

– Silas Zindel